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Crispr, das Werkzeug zur Genveränderung: Was wird es noch alles verändern?

Crispr: Nein, das ist keine neue Sorte Cerealien! Crispr-Cas ist die jüngste Revolution in der Gentechnologie. Der sperrige Name steht für ein molekulares Werkzeug, klein, einfach und präzise, das gezielte Erbgutveränderungen in jeder Art von lebenden Zellen, auch in menschlichen, durchführen kann. Viel wurde in den letzten Jahren schon darüber berichtet, aber was es eigentlich für uns bedeutet, ist wenig diskutiert.

Im Jahr 2012 von der französischen Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier entwickelt, eroberte Crispr-Cas im Sturm die Laboratorien der Welt und weckt seitdem allerorten große Hoffnungen und große Ängste.

Heilung schwerer genetischer Erkrankungen oder Designen von Menschen?

Die größten Erwartungen richten sich auf das nun greifbar nahe erscheinende Therapieren von genetisch bedingten Erkrankungen. „Eine der wichtigsten Anwendungsmöglichkeiten der Technologie ist ihr Potenzial, neue Therapieansätze für schwerwiegende humane Erkrankungen zu liefern“, sagt Charpentier, die sich inzwischen als Direktorin des Max-Planck Institutes für Infektionsbiologie in Berlin befindet, wo ich sie interviewt hatte.

Schon im embryonalen Stadium könnte man, so die ehrgeizigsten Ideen, schwere Krankheiten wie Mukoviszidose kurieren, indem die dafür verantwortlichen Defekte mit dem Genskalpell repariert werden. Aber auch beim Erwachsenen könnte man durch gezielte Veränderung bestimmter Zelltypen Krankheiten wie Sichelzellanämie oder HIV heilen. In der Veterinärmedizin, der landwirtschaftlichen Biotechnologie, der Entwicklung von Life-Science-Reagenzien und Diagnostika gibt es vielfache weitere Anwendungsmöglichkeiten. Es wird ein milliardenschwerer Markt.

Das Potenzial, das Crispr hat, zeigt sich auch an dem epischen Rechtstreit, der über das Patentrecht ausgebrochen ist. Während Charpentier zusammen mit Jennifer Doudna an der University of California in Berkeley Crispr-Cas in Bakterien entwickelten, zeigte Fengh Zhang vom Broad Institute in Boston die Anwendung in höheren, in menschlichen Zellen. Die Anwälte der Forscher, der Forschungsinstitutionen und der neu gegründeten Firmen bekriegen sich nun vor der US Patentbehörde schon seit Jahren. Die erste Runde ging dabei an Zhang, aber die Revision ist gewiss.

Die Ängste beschäftigen sich vor allem mit der Frage, was passiert, wenn Veränderungen in der menschlichen Keimbahn durchgeführt werden. Chinesische Wissenschaftler haben 2015 und 2016 erste Versuche publiziert, menschliche Embryonen mithilfe von Crispr-Cas genetisch zu verändern. In beiden Fällen überlebten die Embryonen nicht, aber der Aufschrei in der wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Welt war laut. Was passiert, wenn solche Embryonen überleben und das eventuell mit ernsthaften Defekten? Werden wir in Zukunft mit der Möglichkeit konfrontiert sein, unsere Nachkommenschaft zu designen?

Auch ernste Bedenken über den Schutz vor den kleinen programmierbaren Gen-Editier-Maschinen, die versehentlich oder absichtlich verbreitet werden könnten, gibt es. Jennifer Doudna war geschockt als bei einer Konferenz ein Postdoc ein Konstrukt aus Viren mit Crispr-Cas vorstellte, das durch Inhalation Crispr in Lungenzellen schleusen kann, wo es diese genetisch verändert. Was, wenn man dieses Konstrukt mit menschlicher Gen-Edition programmiert? Bedenken wirklich alle Forscher, die mit solchen Systemen arbeiten, welche Risiken sie damit in die Welt setzen?

Es wird auch kritisiert, dass durch den Erfolgsdruck wenig Zeit bleibt, sich mit diesen Fragen und dem System als solchen erst einmal intensiv auseinanderzusetzen. Die Tatsachen schaffen sich schneller.

Viele Wissenschaftler fordern ein Moratorium für Versuche zur Veränderung der Erbinformation in der Keimbahn des Menschen. Vor allem in Deutschland, wo generell keine Forschung an menschlichen Embryonen erlaubt ist, sind die Bedenken groß. Bei einem wissenschaftlichen Gipfeltreffen in den USA im Jahr 2015 zu dieser Fragestellung erklärten Wissenschaftler und Ethikexperten jedoch, dass Grundlagenforschung an embryonalen Zellen zugelassen werden sollte, jedoch nicht die Einpflanzung dieser in die Gebärmutter. Ohnehin sei Crispr so billig, weit verbreitet und leicht handhabbar, dass ein Moratorium auf seine Anwendung nicht durchführbar sei, so Baltimore, einer der Konferenzteilnehmer.

Eine breite und globale Debatte ist notwendig, aber das ist nicht leicht

Emmanuelle Charpentier selbst äußerte auch ernsthafte Bedenken, was Experimente wie die in China angingen. Wie sieht sie die Risiken der von ihr entwickelten Technologie? Sie erklärt, als Wissenschaftlerin auf dem Weg zu einer wichtigen Entdeckung mit dem Potenzial für eine bahnbrechende therapeutische Anwendung neige man dazu, in erster Linie an die möglichen Vorteile der Entdeckungen und all das Gute, das daraus entstehen könnte, zu denken. Das Bewusstsein dafür, wie die Entdeckung missbraucht werden könnte, sei aber ebenso wichtig. „Als Wissenschaftler“, so Charpentier weiter, „muss man die Tatsache anerkennen, dass neue Erkenntnisse und deren Anwendung immer eine Verantwortung mit sich bringen. Es ist wichtig, zu erkennen, dass, wie bei jeder anderen Technologie zur Modifikation von Genen, Sicherheit und Wirksamkeit für jede potenzielle Therapie von Patienten gewährleistet sein muss und dass jede ethisch nicht vertretbare Verwendung der Technologie verhindert werden muss.“

Charpentier forderte eine breite und globale Debatte, die alle Beteiligten mit einbezieht: Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger, Ärzte, Medikamententwickler, Patienten und die breite Öffentlichkeit auf der ganzen Welt. „Die Welt ist enger zusammengerückt und es ist entscheidend, einen transparenten Dialog rund um den Globus über die ethische Nutzung von Technologien zu initiieren und zu erhalten. Es müssen unbedingt gemeinsame globale Initiativen und Richtlinien geschaffen werden, um dafür Sorge zu tragen, dass die sichere und ethische Verwendung der Technologien gefördert und unethische oder schädliche Anwendungen vermieden werden.“ Und sie fügte hinzu: „Auch wenn dies keine leichte Aufgabe ist.“

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